
Wer heute in der Textil- und Bekleidungsindustrie nach qualifizierten Fachkräften sucht, merkt schnell: Die Luft ist raus. Der Fachkräftemangel ist nicht mehr nur ein Schlagwort, sondern tägliche Realität und das längst nicht mehr nur in der Produktion. Spätestens wenn die Babyboomer in den Ruhestand gehen, wird sich die Lage weiter zuspitzen. Klar ist: Wer heute Top-Talente gewinnt, muss sie auch halten können. Sonst wird aus einer geglückten Rekrutierung ein teurer Fehltritt.
Was kostet ein verlorenes Talent?
Bis zu neun Monatsgehälter. So viel kann ein verpatztes Onboarding kosten, rechnet man Recruitingkosten, Einarbeitungszeit, Produktivitätsausfall und die erneute Suche nach Ersatz ein. Die tatsächliche Zahl schwankt je nach Branche und Hierarchieebene ist aber fast immer höher, als viele vermuten.
Das Problem: Viele Unternehmen übersehen, dass der Bewerbungsprozess nicht mit der Unterschrift endet. Wer Top-Talente für sich gewinnt, muss liefern, spätestens ab Tag eins.
Warum das Onboarding so oft schiefläuft
Onboarding bedeutet mehr als einen IT-Zugang und ein PDF mit Unternehmenswerten. Es ist der erste echte Kontakt mit der Kultur und den Menschen im Unternehmen. Und der Moment, in dem neue Mitarbeitende entscheiden: Passe ich hier rein? Werde ich ernst genommen? Wurde mir zu viel versprochen?
Drei typische Kommunikationsfehler sorgen dafür, dass diese Phase scheitert und neue Kolleginnen und Kollegen schneller wieder gehen, als man „Teammeeting“ sagen kann.
1. Planloser Start statt Klartext
Ein häufiger Fehler: Neue Mitarbeitende kommen an, aber keiner weiß so recht, was jetzt passiert. Es gibt keinen klaren Ablauf, keine konkreten Ziele, keine Rückmeldungen. Statt Orientierung gibt es Verunsicherung. Statt Feedback gibt’s Schweigen. Die Folge: Das Gefühl, nicht gebraucht zu werden und das schon in Woche eins.
2. Null Empathie, null Bindung
Viele Führungskräfte gehen davon aus, dass sich „die Neuen“ schon zurechtfinden. Doch das ist ein Trugschluss. Wer Fragen stellt, zeigt keine Schwäche, sondern Engagement. Wird dieses Verhalten aber nicht aktiv gefördert, entsteht eine Atmosphäre der Unsicherheit. Gespräche finden nur zwischen Tür und Angel statt, echte menschliche Nähe fehlt. Wer sich so fühlt, geht innerlich früh auf Distanz.
3. Zu viel, zu schnell, zu chaotisch
Am ersten Tag fünf Tools erklärt bekommen, am zweiten gleich beim Kunden vorsprechen, viele neue Mitarbeitende werden mit Informationen überrollt. Die Absicht mag gut sein, die Wirkung ist es selten. Was fehlt, ist Struktur. Was entsteht, ist Stress. Und der Eindruck: Hier bleibt’s hektisch, nichts für mich.
Was Unternehmen konkret tun können
Klare Struktur statt Hauruck-Start:
Ein gut geplanter Onboarding-Prozess braucht klare Zuständigkeiten, verständliche Ziele und regelmäßige Feedbackschleifen. Neue Mitarbeitende sollten wissen, was sie erwartet und was von ihnen erwartet wird.
Vertrauen entsteht durch Nähe:
Führungskräfte müssen Zeit investieren. Persönliche Gespräche, aktives Zuhören, ehrliches Interesse, das schafft psychologische Sicherheit. Wer von Anfang an signalisiert: „Hier darfst du Fragen stellen“, fördert Engagement und Identifikation.
Informationshäppchen statt Infodruckbetankung:
Nicht alles muss am ersten Tag passieren. Besser: Inhalte in sinnvolle Etappen gliedern, begleitet von einer Ansprechperson, die den Überblick behält und Orientierung gibt.
Preboarding nicht vergessen
Die Phase zwischen Vertragsunterschrift und Arbeitsbeginn ist Gold wert. Wer sie nutzt, signalisiert Wertschätzung und Professionalität. Ein kurzer Willkommensgruß, erste Unterlagen, klar kommunizierte Erwartungen, das reicht oft schon, um Unsicherheit zu reduzieren und Vorfreude zu wecken.
Technologie kann helfen, nicht ersetzen
Digitale Tools wie automatisierte Onboarding-Workflows oder zentrale Checklisten machen die Organisation effizienter. Sie können dafür sorgen, dass nichts vergessen wird – von der IT-Ausstattung bis zum ersten Teamlunch. Aber sie ersetzen nicht die zwischenmenschliche Komponente.
Fazit: Onboarding ist kein Nice-to-have
Wer in Zeiten des Fachkräftemangels gute Leute halten will, darf den Onboarding-Prozess nicht dem Zufall überlassen. Es geht nicht nur um Einarbeitung sondern um Integration, Bindung und ein starkes erstes Signal: Du bist hier richtig. Wer das verpasst, zahlt am Ende nicht nur mit Geld, sondern auch mit Image und Wettbewerbsfähigkeit.