Vertrauen ist nicht naiv, es ist eine Führungsaufgabe

San­na Granqvist – Lum­mi

Ver­trauen in der Arbeitswelt wird oft roman­tisiert oder unter­schätzt. Für die einen ist es eine weiche, fast naive Hal­tung, für die anderen eine Selb­stver­ständlichkeit. Bei­des greift zu kurz. Ver­trauen ist kein Selb­stläufer und schon gar kein Luxu­sgut. Es ist eine bewusste Entschei­dung und vor allem: eine zen­trale Führungsauf­gabe.


In vie­len Unternehmen herrscht jedoch ein anderes Kli­ma. Sub­tiles Mis­strauen prägt den All­t­ag. Es begin­nt mit schein­bar harm­losen Gedanken: Ist die Kol­le­gin wirk­lich krank? Arbeit­et der Kol­lege im Home­of­fice tat­säch­lich konzen­tri­ert? Diese Zweifel, unaus­ge­sprochen oder hin­ter vorge­hal­tener Hand for­muliert, entwick­eln eine schle­ichende Wirkung. Sie vergiften die Kul­tur. Offen­heit wird zur Aus­nahme, Fehler wer­den ver­schwiegen, Eigen­ver­ant­wor­tung geht ver­loren. Die Organ­i­sa­tion ver­liert an Beweglichkeit, weil sie sich in gegen­seit­iger Absicherung ver­hed­dert.

Mis­strauen kommt sel­ten allein. Es bringt Kon­trolle, Mikro­man­age­ment und Entschei­dungss­chwäche mit sich. Statt pro­duk­tivem Miteinan­der entste­hen Rei­bungsver­luste, Unsicher­heit und Demo­ti­va­tion. Nicht, weil Men­schen nicht arbeit­en wollen – son­dern weil man sie lässt, aber ihnen gle­ichzeit­ig nicht zutraut, es gut zu machen.

Ver­trauen dage­gen schafft einen anderen Raum. Wer seinem Team zuhört, trans­par­ent kom­mu­niziert und Ver­ant­wor­tung nicht nur delegiert, son­dern tat­säch­lich überträgt, fördert genau das Ver­hal­ten, das viele Unternehmen sich wün­schen: Eigenini­tia­tive, Loy­al­ität, kon­struk­tives Denken. Ver­trauen ist dabei nicht blind, es ist pro­fes­sionell. Es rech­net mit Ent­täuschun­gen, aber es entschei­det sich den­noch dafür, den ersten Schritt zu machen.

Beson­ders sicht­bar wird das The­ma in der Art, wie Führungskräfte mit Ver­ant­wor­tung umge­hen. In manchen Unternehmen hat sich ein Führungsstil etabliert, der sich als beson­ders teamor­i­en­tiert tarnt, in Wahrheit aber ein anderes Prob­lem offen­bart: das betreute Führen. Gemeint ist ein Führungsver­hal­ten, bei dem Entschei­dun­gen zur Man­gel­ware wer­den. Führungskräfte, die es allen recht machen wollen, ver­mei­den klare Ansagen. Statt Pri­or­itäten zu set­zen, wer­den The­men in Meet­ings zerre­det. Statt Ver­ant­wor­tung zu übernehmen, wer­den nochmal zusät­zliche Analy­sen, Konzepte oder Ausar­beitun­gen gefordert. Entschei­dun­gen wer­den vertagt, ver­wässert oder so lange disku­tiert, bis jede Rich­tung unklar gewor­den ist.

Der Schaden ist erhe­blich. Gute Ideen aus dem Team ver­sanden oder wer­den erst nach end­losem Nach­druck umge­set­zt. Mitar­bei­t­ende, die gestal­ten wollen, stoßen auf eine Wand aus Vor­sicht und For­mal­is­mus. Der Frust wächst, vor allem bei den Leis­tungsträgern, die eigentlich antreiben und gestal­ten wollen. Sie ziehen sich zurück oder suchen sich irgend­wann ein Umfeld, in dem Führung nicht block­iert, son­dern ermöglicht.

Gute Führung bedeutet nicht, alles zu wis­sen oder jede Entschei­dung allein zu tre­f­fen. Aber sie bedeutet, Ver­ant­wor­tung zu übernehmen, Klarheit zu schaf­fen und das auszuhal­ten, was Führung mit sich bringt: nicht immer beliebt zu sein, aber ver­lässlich.

Ver­trauen, Entschei­dungs­fähigkeit und Hal­tung sind keine net­ten Zusatzeigen­schaften für Führungskräfte, sie sind ele­men­tar. Sie entschei­den darüber, ob ein Unternehmen sich bewegt oder stag­niert. Ob Mitar­beit­er sich entwick­eln oder inner­lich kündi­gen. Und let­ztlich auch darüber, ob eine Organ­i­sa­tion langfristig erfol­gre­ich bleibt oder sich selb­st im Weg ste­ht.

Die Frage ist also nicht, ob Ver­trauen „zu viel ver­langt“ ist. Die Frage ist, ob wir uns leis­ten kön­nen, darauf zu verzicht­en.


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